Bewegungspolitik
Wenn man zum Beispiel gegen den Krieg eingestellt ist, dann wird man sofort von den Kriegsbefürwortern in eine Schublade gesteckt, die diese dann ganz nach ihrem Belieben auf- oder zusperren können. Man wird der großen Bewegung der KriegsgegnerInnen zugerechnet. So gesehen bin ich ein Teil dieser Bewegung. Dennoch muss ich sagen, dass es dort auch Strömungen und Richtungen gibt, die ich nicht billigen kann.
 
Aber ich bin dann auch ein Teil anderer Bewegungen: weil ich extreme soziale Ungleichheit für absolut ungerecht halte, weil ich es nicht akzeptieren kann, dass es Menschen git, die so wenig zum Leben haben, dass sie sich nicht sattessen können oder gar verhungern, dass es andererseits Menschen gibt, die so viel Vermögen haben, dass sie es in ihrem Leben niemals verbrauchen könnten, um zu leben, muss man mich wohl auch zu der Bewegung zählen, die sich um die soziale Gerechtigkeit kümmert, die sozialistische Bewegung. Dennoch muss ich sagen, dass es dort auch Strömungen und Richtungen gibt, die ich nicht billigen kann.
 
Weil ich für das individuelle Recht der Selbstbestimmung des mündigen Menschen bin, muss man mich wohl zu der Gruppe der sogenannten Radikaldemokraten oder sogar Anarchisten zählen. Dennoch muss ich sagen, dass es dort auch Strömungen und Richtungen gibt, die ich nicht billigen kann.
 
Weil ich biologisch männlich mit erzogener männlicher Identiät offensichtlich die erotische Nähe eher zu männlichen Gleichgesinnten suche als zu weiblichen, muss man mich wohl als Teil der Schwulenbewegung einordnen. Aber weil es sich so ergeben hat, dass meine "Wahlfamilie" aus einer Frau und einem Mann besteht, und weil mir auch weiblicher Umgang angenehm ist und weil mir die Erfolge von beiden Strömungen am Herzen liegen, gehöre ich wohl der Lesben-und Schwulenbewegung an. Dennoch muss ich sagen, dass es dort auch Strömungen und Richtungen gibt, die ich nicht billigen kann.
 
Immer dann, wenn sich gesellschaftliche oder soziale Bewegungen bilden, gibt es schon Menschen, die sich dort in Schlüsselpositionen setzen wollen, um diese Bewegung für ihre Partei, für ihren Verband, für ihre Interessen zu nutzen. Deshalb finde ich mich wohl eher in einem Umfeld politisch engagierter Menschen wieder, die bei jedem einzelnen Anlass selber entscheiden wollen, inwieweit sie sich jeweils engagieren. Kann man denn auf diese Weise an den wichtigen Bewegungen teilnehmen? Aber ja, man kann sich ja auch kaum entziehen, wenn man in Hinblick auf gesellschaftliche Fragen nicht völlig bedeutungslos im Abseits bleiben möchte. Aber ich habe nicht vor, mich funktionalisieren zu lassen oder mich für Ziele vereinnahmen zu lassen, die ich absolut nicht billigen kann. Dies würde den Grundlagen meiner politischen Identität meinen politischen Zielen widersprechen.
 
http://www.rosalueste.de
 
Joachim Schönert
*