Gesellschaftspolitik
 
Wenn die sogenannte öffentliche Meinung für das eigene Leben, Fühlen und Denken schädlich ist, wenn man befürchten muss, immer größere Teile der Bvölkerung sind nationalistisch oder religiös verhetzt, dann wird es Zeit, entweder das Land zu verlassen, oder sich selber in die politischen Schlägereien einzumischen.
 
Nationalismus und Religion (und zwar jede) sind die beiden beliebten Manipulationsideologien. Mit ihrer Hilfe gelingt es, große Gruppen der Bevölkerung gegeneinader aufzubringen. Menschen, die eben noch miteinander gelebt, geliebt, gearbeitet haben, sind so ineinander verfeindet worden, dass sie glauben, unmöglich zusammen leben zu können. Schlüssel dazu ist dann immer, dass der einen Nationalität oder Religion unterstellt wird, die andere Nationalität oder Religion zu unterdrücken. (Das geht am besten, wenn es auch wirklich der Fall ist, was nicht hieißt, dass die anderen es dann anders machen werden.) Das geht hervorragend mit Sozialneid. Die ideologische Falle ist, wenn die Menschen an die Ungleichheit der anderen glauben. Besonders glücklich sind die Nationalismushetzer oder Religionshetzer dann, wenn es ihnen gelungen ist, dass sich irgendein unbesonnener Mensch dazu hinreißen lässt, offene Gewalt anzuwenden. Wenn erst einmal Opfer da sind, ist der Verstand gänzlich im Eimer. Die betreffende Menschengruppe lässt sich dann willig von den Initiatoren des ganzen Unglücks am Nasenring gegen andere Menschen führen, wie ein wutschnaubender Bulle.
 
Frühzeitig muss deshalb hier gegengesteuert werden. Man versucht also, in die gesellschaftspolitischen Prozesse einzugreifen. Aber wie kann man das, wenn man nicht über die gleichen Kommunikationsmittel verfügt wie die Hetzer, die dazu noch zumeist über das Mittel der Einschüchterung verfügen, in der Form aufgebrachter verhetzter Menschen?
 
Es ist für den einzelnen Menschen nicht nötig, für alles ein Patentrezept zu haben. Man muss auch nicht zum Märtyrrer werden. Das verlangen eigentlich eher die Religionsführer oder die nationalistischen Führer von ihren Untertanen. Aber man kann, überall da, wo man ist und eine gewisse Zuhörerschaft hat, wo man sich in einem Freundeskreis aufhält, seinen kleinen Teil dazu beitragen, dass im Mitmenschen ein Mensch erkannt wird und kein Monster. So wird man auch gesellschaftspolitisch wirksam.
 
Das wichtigste ideologische Mittel, eine nationalistische oder religiöse Verhetzung zu unterlaufen ist es, keine Vorteile oder Nachteile aus der geographischen Herkunft, der kulturellen Gebräuchen und der religiösen Anschten zu dulden. Hinzukommen muss aber auf jeden Fall die Vereinbarung, dass sich kein Mensch in die persönliche Lebensführung der anderern Menschen einzumischen hat und dass es das Recht eines jeden individuellen Menschen ist, ungefähdret auf seine Weise zu leben.
 
Ich betrachte diese Form der Gesellschaftspolitik durch möglichst alle Menschen als die Grundlage eines demokratischen Zusammenlebens. Dieses demokratische Selbstverständnis darf nicht gefährdet, beschnitten oder unterlaufen werden, weil dies in jedem Fall die Unterdrückung des individuellen Willens bedeutet.
 
Ich glaube, dass ich, so lange ich versucht habe, mich an politischen Prozessen zu beteiligen, in diesem Sinne wirsam werden wollte, manchmal schlecht und erfolglos, manchmal wieder ermutigend gut.
 
Joachim Schönert
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