Militär

Ich wurde eingezogen und erlebte eine schwierige Zeit in einer solchen "männerbündlerischen Gesellschaft" (Definition des Soziologen Schelsky).
 
Sie zeichnet sich durch latente Homophilie aus, die durch Frauenzoten usw. derart stabilisiert wird, dass sie nicht brisant homosexuell werden kann, wie Schelsky meint. Auf dem Foto links sieht man mich links oben.
 
Selbstverständlich war man dort politisch rechts, alle waren rechts (eigentlich rechtsradikal) und ich war es auch, wenn ich auch heute weiß, das ich damals gar nicht wusste, was das ist.
 
Ich habe aus dieser Zeit eine Unzahl Fotos, die andere gemacht hatten, so dass ich hier einige vorstellen kann. Auf dem Foto rechts bin ich der 2. von links, der Mann mit der Brille im Hintergrund.
 
Weil ich mich freiwillig verpflichtete, wurde ich zum Geschützführer, Beisitzer beim Truppendienstgericht, militärischer Vorgesetzter (Unteroffizier, denn ich hatte ja damals noch kein Abitur).
 
In der Rolle eines Vorgesetzten fühlte ich mich allerdings unwohl und versuchte immer meine Autorotät selbst durch eine eher unterschwellige Verkumpelung zu unterlaufen.
 
Im Grunde war es mir peilich, anderen Menschen Befehle zu erteilen. Außerdem ist es ja so, dass die Befehle, die man anderen geben muss, gar nicht dem eigenen Wollen entsprechen, sondern dass im Hintergrund Befehle von weiter oben stehenden Vorgesetzen stehen, die man dann selbst nur auf die aktuelle Situation transformiert weiterzugeben hat.
 
So kann auch allein durch das Weitergeben von Befehlen keine persönliche Genugtuung entstehen, weil man sich seiner Rolle als Untergebener und als Fußabtreter immer bewusst ist.
 
Der Umganston ist beim Militär ja zwischen Vorgesetzten und Untergebenen nicht kameradschaftlich, sondern ausgesprochen rau.
 
In Grunde lässt sich ja aus allen Erlebnissen auch die eine oder andere positive Lehre ziehen. Aber selbst bei intensivem Nachdenken fällt mir wenig ein, was ich aus heutiger Sicht als wertvolle Erfahrung definieren kann.
 
Vielleicht ist es aber eine gewisse Kameraderie unter denen, die sich ein wenig freundschaftlich Gesonnen sind, die ich kennengelernt und schätzen gelernt habe. Sie zeichnet sich darin aus, dass man sich gegenseitig (auch gegen Vorgesetzte) hilft, wenn der Kamerad um Hilfe bittet, ohne dass der Hilfesuchende die Gründe näher ausführen muss.
 
Man geht in der Kameraderie davon aus, dass der Kamerad sich der Verantwortung, die er dann für die Kameraden übernimmt, bewusst ist und nicht missbraucht. Dies half mir später sehr oft im Berufsleben in Form von Kollegialität Situationen mit solchen Menschen zu bewältigen, die ich nicht mochte.
 
Dennoch kann ich sagen, dass diese drei Jahre keine guten Jahre waren und eigentlich verlorene Jahre für mein Leben. Keine Minute seines Lebens lebt man zur Probe, man kann nichts beim zweiten Mal besser machen, sondern man verschwendet sein sehr kurzes Leben mit jeder Minute, hinter der man nicht stehen kann.
 
Das Kostbarste und Wichtigste, das wir besitzen, ist nicht Geld, sondern ist unsere Lebenszeit. Daher ist es auch legitim, anderen Menschen zu sagen, die Anspruch auf unser Zeit erheben: "Ich habe dafür keine Zeit".
 
Joachim Schönert
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