Beruf 3
- Nach meinem Referendariat und
einer Zeit mit Lehraufträgen beschloss ich, noch das weitere
Fach Politechnik zu studieren, damit ich in der damaligen "Lehrerschwemme"
doch noch eine befriedigende Anstellung bekommen könnte.
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- Ich wählte mir Polytechnik
(Arbeitslehre) aus, weil es zukunftsträchtig schien, und
begann, die entsprechende Literatur zu bearbeiten, als ich ein
feste Anstellung im Berufsförderungswerk
Frankfurt vorgeschlagen bekam, auf die ich mich bewarb. Ich denke,
das war eine gute Entscheidung, denn die Ausstattung mit Arbeitsmitteln
war hier weit besser, als ich es an einer Schule erwarten konnte.
Man konnte hier zu Mittag essen. Und obwohl man nicht so viele
Schulferien hatte wie ein Lehrer, hatte man doch als "Dozent"
einen ähnlichen Arbeitsrahmen in Hinblick auf Deputat und
Arbeitsbedingungen.
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- Desweiteren schien mir die Aufgabe,
Menschen wieder ins Arbeitsleben und ihnen somit eine neue wirtschaftliche
Existenzmöglichkeit mit zu verschaffen, aus der sie wegen
Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten usw. geworfen waren,
auch inhaltlich lohnenswert.
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- Ich bekam auch nach einigen
Anfangsschwierigkeiten deshalb schnell einen guten Draht zu den
"Rehabilitanden", weil ich eben nicht von der Schule
über die Uni wieder in die Schule gegangen bin, sondern
die Arbeitswelt auf vielfältige Weise schon recht gut kennengelernt
hatte. Ich habe auch eine sagenhafte Kollegialität kennengelernt.
Natürlich gibt es auch überall IdiotInnen und Probleme.
Im Großen und Ganzen machte mir meine Arbeit durchaus viel
Spaß.
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- Nun muss man allerdings sagen,
dass sich später dann in der Arbeitswelt die Arbeitsbedingungen
zeitgeistbedingt ändern und solche Entwicklungen, die von
ArbeitnehmerInnen mehr und mehr verlangen, gehen auch nicht an
solchen Einrichtungen vorbei. Inseln kann es, glaube ich, nicht
geben, auch wenn ich immer mal auf den Schutz einer Insel hoffte.
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- Arbeit ist auch nach offizieller
Definition eben eine Tätigkeit in fremden Diensten und in
Abhängigkeit. Dass mir die auszubildenden Leute nicht egal
waren, dass mir die Berufsaufgabe lag und mir was bedeutete,
führt bei den späteren Bedingungen der zunehmenden
Flexibilisierung eben zu einer größeren Selbstfesselung.
Das machte es unmöglich, dass ich meinen anderen Interessen
noch so viel Zeit widmen kann, wie ich sie bräuchte.
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- Hätte mir aber die Arbeit
nicht gelegen, hätte ich sie trotzdem machen müssen,
schon um der wirtschaftlichen Existenz meiner Wahlfamilie in
der WG willen. Da hatte ich es doch wohl ganz gut getroffen.
Und wenn es mal wirklich blöde kam, träumte ich von
der Zeit der Rente, die nun immer mehr in Sicht kam, und die
diese Abhängigkeit beenden würde. Vieles, wofür
ich leider keine Zeit hatte, schob ich zu meinem Trost auf die
Zeit der Rente.
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- Allerdings hat man als Rentner
dann auch nicht so viel Zeit, wie man vorher geglaubt hat, und
außerdem ist man dann eben auch alt, zumindest im Bild
anderer Leute, was ärgerlich ist, weil man sich selber nicht
so fühlt. Und natürlich wird mich schon irgendwann
das einholen, was mit dem Alter verknüpft ist: zunehmender
Zerfall und zunehmende Hinfälligkeit. Aber ich finde, ich
denke daran, wenn es zu weit ist, damit ich von der gegenwärtigen
Situation noch was habe.
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- Joachim Schönert
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