- Um was gehts
denn so?
- Tja, wie
soll man eine solche Frage beantworten. Es geht ganz bestimmt
nicht um die klasischen Lebensziele, die man aus den Chansons
und der betreffenden Literatur kennt:
-
- Einen Baum
pflanzen, ein Haus bauen, ein Kind zeugen und ein Buch schreiben.
- Auf keinen
Fall geht es mir darum. Zumindest fast nicht. Das Schreiben eines Buches,
darauf könnte ich mich vielleicht wieder mal einlassen,
aber nur, wenn ich Menschen begegne, bei denen ich das Gefühl
habe, dass ich ihnen etwas zu sagen habe. Und dieses Gefühl
habe ich nur bei den Menschen, die Interesse am Nachdenken haben,
denen es vielleicht eher eine LUST ist, in Denkgefechten zu schwelgen
statt nur im Gefühlsmatsch.
-
- Der Zeitgeist
ist aber eher so, dass das Fühlen und Empfinden an die Stelle
des Denkens getreten ist. Emotionalität steht in der Beliebtheitsskala
vor der Intellektualität.
-
- Das ist somit
nicht meine Zeit. Zur Befriedigung solcher Bedürfnisse möchte
und kann ich nicht so viel beitragen.
- Dabei weiß
ich ja, dass in so manchem intellektuellen Zirkel so manche Gefühls-
und Beziehungsbotschaft nur intellektuell verkleidet wird.
-
- Na klar, die
körperliche Lust erleben, das ist mir wohl die wichtigste
Beschäftigung. Aber muss das alles immer mit einer lusttötenden
Sentimantalität verkleistert werden? Es kann schon geschehen,
dass ich mich verliebe, aber es ist für mich keine Voraussetzung.
-
- Lust? Ja, willkommen.
-
- Verliebtheit?
Vielleicht, wenn es nicht in Selbstaufgabe mündet. Zwischenmenschlichkeit
bzw. Mitmenschlichkeit ist mir lieber als die herkömmliche
enge monogame Partnerschaft. Eifersüchtige Wünsche
nach Kontrolle statt der Freude über das, was mir aus Lebensfreude
und Lust gegeben wird? Nein! Enge Freudschaften und auch erotische
Beziehungen über viele Jahre, ja, dai hatte ich schon und
habe sie, das sind aber keine eheähnlichen Beziehungen nach
Kirchenvorgaben oder dem BGB.
-
- Macht und Unterwerfung
im zwischenmenschlichen Beziehungsumgang statt einer partnerschaftliche
Gleichberechtigung? Das ist nichts für mich.
-
- Das Wechselspiel
der Gefühle mit Anspruchshaltungen, Vorwürfen und Beschuldigungen
und tragischen Beziehungskämpfen statt eines sinnvollen
und verständnisvollen Umgangs zwischen den Menschen, die
einander zugeneigt sind? Wirklich, das ist nicht meine Welt.
-
- Karriere, Macht
über andere Menschen? Teure Kleidung, teure Uhr, teures
Auto und teure Reisen? Welche persönliche Befriedigung hätte
ich davon? Käme ich dadurch mit solchen Menschen besser
aus, auf die ich Wert lege?
-
- Eher ist es
so, dass ich auf die Leute keinen Wert lege, die demonstrativ
solchen Zielen nachstreben. Um es genauer zu sagen: Ich will
mich über Gedanken Unterhalten und nicht über Frisuren.
-
- Um was gehts
also?
- Es geht nicht
um das "Vaterland", die Nation und um die Religion.
Damit werden Menschen in Kriege geführt, werden in unmenschliche
Raserei gegeneinander geführt. Leben nationalistische oder
religiösfundamentalistische Menschen besser dadurch? Sicher,
diejenigen die andere dort hintreiben, die leben vielleicht besser
dadurch, zumindest eine Zeit lang.
-
- Was wollen die
Menschen eigentlich? Nun, ich denke, Menschen wollen möglichst
zufrieden und ein bisschen glücklich leben. Also: sich immer
sattessen können mit Lebensmitteln, die nicht krank machen.
Sie wollen anständig wohnen, die Möglichkeit haben,
sich angemessen zu kleiden und sie möchten andere Menschen
kennenlernen, vielleicht mit ihnen zusammen leben.
-
- Menschen wollen
sich mit anderen Menschen erfüllen, sowohl körperlich
als auch emotional und intellektuell. Ich glaube nicht (mehr),
dass ein Mensch einen anderen Menschen finden kann,
der ihm in all diesen Bereichen derart entspricht, dass es nicht
noch Wünsche nach anderen Menschen gibt. Monogamie, also
die Erfüllung aller mitmenschlichen Bedürfnisse in
der Zweisamkeit? Solch eine Neigung ist mir unverständlich.
Wohl aber die Neigung nach einem Kreis von Menschen, mit denen
man sich wohlfühlen kann, weil man sich ihnen gegenüber
öffnen kann, ohne befürchten zu müssen, dass dies
wirtschaftlich, zwischenmenschlich, gesellschaftlich ausgenutz
wird, dass einem in den Rücken gefallen wird.
-
- Ich denke: Menschen
wollen keine Angst vor anderen Menschen haben müssen. Menschliche
Wesen, die die Neigung haben, sich andere Menschen untertan machen
zu wollen, sind für mich keine Menschen, sondern Unmenschen.
-
- Dem Unmenschen
begenet man überall. Man begegnet ihm dort, wo man wohnt,
zum Beispiel in einem Nachbarn, der uns seinen Lebensstil aufzwingen
will. Es ist schon anmaßend und kaum zu ertragen, wenn
Unmenschen uns nach ihrem Bild beurteilen und möglicherweise
verurteilen.
-
- Man begegnet
ihnen auch als Vorgesetzte in vielerlei Gestalt. Ich meine nicht
Vorgesetzte generell, sondern solche, die ihre Position nutzen,
um Menschen zu demütigen und zu quälen. Ich begegne
Unmenschen auch unter den sogenannten "kleinen Leuten"
der Gesellschaft, die aus Neid oder Not anderen das Leben schwer
machen wollen. Nicht jeder Mensch wird jedoch in schwierigen
Lebensabschnitten zum Monster.
-
- Um was geht
es also?
- Es geht um zwischenmenschliche
Erfüllung. Um gegenseitige Achtung, um ein bisschen Lebensglück,
um soziale Zustände, die es allen Menschen ermöglichen,
menschenwürdig zu leben.
-
- Die individuelle
Lösung für dieses Problem scheidet bei vielen dieser
Vorstellungen deshalb aus, weil es sich um gesellschaftliche
Fragen handelt. Und wenn man seine verträumte Insel sucht,
geht es auch nicht, weil man dann dort alleine wäre. Und
zu meinen Lebenswünschen, die sich für mich auch teilweise
erfüllen, gehört eben im wesentlichen die Mitmenschlichkeit.
-
- Und wie geht
so etwas?
- Das ist die
Frage, um die sich hier alles dreht. Du findest in diesen Texten
also die gescheiterten und die gelungenen, die gedanklichen und
realen Versuche, diesen Zielen, die ich anstrebe, näherzukommen.
Das ist nichts Besonderes, ich weiß. Aber das ist mir ja
bei meiner Schreiberei so aufgefallen, dass es im Prinzip viele
Menschen gibt, die das ähnlich sehen, weshalb ich ja auch
interessierte LeserInnen habe, wenn ich mich schriftlich abarbeite.
-
- Joachim
Schönert
- *